
Stand: 22.12.2022 15:00 Uhr
Nach zweijährigem Versuchsbetrieb begann der NWDR am Weihnachtstag 1952 mit der Ausstrahlung eines regelmäßigen deutschen Fernsehprogramms. Im Studio in einem Bunker in Hamburg ist es heiß wie in einer Sauna – und kaum jemand schaut zu.
“Lasst uns beginnen!” Das sind die ersten Worte, die offiziell im deutschen Fernsehen gesprochen werden. Es ist der Abend des 25. Dezember 1952, und der Fernsehdirektor des Deutschen Nordwestrundfunks (NWDR), Werner Pleister, will den Deutschen im Sendegebiet ein ganz besonderes Weihnachtsgeschenk machen. In der ersten regulären Fernsehsendung wendet er sich mit einer Ansprache an das Publikum: „Wir, liebe Zuschauer, das Fernsehen des Nordwestdeutschen Rundfunks mit all seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, haben uns monatelang darauf vorbereitet, dass Sie von heute bis heute bei uns sind sie genießen ein tägliches Fernsehprogramm.“
Die erste Show ist eine Stunde und 58 Minuten lang. Die noch junge Bundesrepublik ist im Bereich des heutigen NDR und WDR in die Ära des Fernsehens eingetreten. In seiner Eröffnungsrede weist Pleister auf die Möglichkeiten des neuen Mediums hin:
„Mehr als zehn Millionen Menschen leben im Strahlungsbereich unserer Sender. Wir denken, dass die Geräteindustrie auf diese Möglichkeit gut vorbereitet ist und durch die Bereitstellung guter und kostengünstiger Geräte dafür sorgt, dass Sie uns mit Augen und Ohren sehen können.“ wenn wir die großen Ereignisse der Welt, die kleinen Dinge des täglichen Lebens, die Kunstfestivals und das fröhliche Lächeln der guten Laune in -Ihre Wohnung bringen.”
Werner Pleister, Intendant des NWDR
Fernsehspiel und Grüße aus aller Welt zum Start
„Art Festivals“ zieht am gleichen Abend erstmals direkt in die Wohnzimmer der Zuschauer ein. Denn auf Pleisters Rede folgt das weihnachtliche Fernsehdrama „Stille Nacht, heilige Nacht“. Die „Großereignisse der Welt“ werden zunächst in etwas kleinerem Rahmen auf den Schwarz-Weiß-Leinwänden gezeigt, Fernsehsender aus aller Welt senden ihre Glückwünsche an den neuen Sender. Am Ende der knapp zweistündigen Sendung wird mit dem Tanzspiel „Max und Moritz“ des NWDR Rundfunkorchesters versucht, „das fröhliche Lächeln einer fröhlichen Stimmung“ zu zeigen.
Fernsehstudios im Bunker
Das Programm besteht in den ersten Jahren aus zwei Hochbunker auf dem Hamburger Heiligengeistfeld. Inmitten einer Brachfläche, auf der noch heute der Hamburger Dom steht, machen die bewegten Bilder in den beiden wuchtigen Betonblöcken ihre ersten Schritte. Bereits ab November 1949 wurden im ehemaligen „Bunker 2“, der 1974 abgerissen wurde, Fernsehversuche durchgeführt. Am 21. Dezember 1951 kam der größte „Bunker 1“ hinzu. Diese setzt sich bis heute fort und erhält derzeit einen mehrstöckigen Bau mit Hotel und Gartenanlage. 1952, wo bald Touristen aus aller Welt die Ferne sehen können, tritt das Fernsehen seinen regelrechten Test an. Dafür wird dort ein 700 Quadratmeter großes Teststudio eingerichtet.
Schweißausstrahlungsbedingungen
Die Arbeit bei Bunker Studios ist nicht einfach. Es ist von Anfang an sehr anspruchsvoll für die Mitarbeiter.
„Der große Senderaum ist ungefähr 11 Meter lang und 6,5 Meter breit (ohne Kontrollraum). Alles ist hoch im Bunker, ungefähr 100 Stufen nach oben, schöne Arbeit, wenn die Aufzugsfracht (es gibt keine andere) nicht funktioniert. Unter dem Dach des kleinen Ateliers, eine Treppe abwärts vom ‚Rundfunksaal‘. Dazu noch ein paar Büros, Technikräume, Schminkecke, Beginn der Kantine. Alles hoch, steif von stickiger Luft.“
„Fernsehtagebücher“ des Journalisten Kurt Wagenfuhr
Carsten Diercks, Kameramann der ersten Stunde, erinnert sich an die schweißtreibenden Bedingungen in der NDR Chronik, als sich das Studio durch die grellen Scheinwerfer schnell aufheizte:
„Das Studio wurde mit Ventilatoren belüftet. Es gab keine Fenster. Wenn ich mich richtig erinnere, hatten wir manchmal 70 Grad. Besonders schwierig war es für die Beleuchter, weil sie auf der Beleuchterbrücke standen und bekanntlich die heiße Luft erhebt sich. Ein Fernsehstudio mit eingebauter Sauna, so sieht man das.“
Der Kameramann Carsten Diercks
Zwei Stunden Fernsehprogramm pro Tag
Nach Sendebeginn an Weihnachten 1952 strahlte der NWDR zunächst täglich ab 20 Uhr ein zweistündiges Abendprogramm und ein halbstündiges Nachmittagsprogramm aus. Mehr sollte es zunächst nicht werden. 1951 warnte NWDR-Fernsehdirektor Pleister vor den negativen Folgen von zu viel Fernsehen:
„Auf keinen Fall sollte man das amerikanische Beispiel nachahmen: Das heißt, von morgens bis abends durchgehend zu senden. Auch das britische Beispiel sollte für uns maßgeblich sein: Zwei Stunden Programm am Abend und anderthalb Stunden am Nachmittag .”
Werner Pleister, Intendant des NWDR
Aus heutiger Sicht könnte man sagen, dass es ganz anders gekommen ist. Was aber blieb: die Grundkonstante des Abendprogramms – die Tagesschau. Nur einen Tag nach Sendestart Am 26. Dezember 1952 wurde die erste Ausgabe der Nachrichtensendung ausgestrahlt.
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Die Tagesschau startet mit einem Redakteur und zwei Redakteuren
Die damalige Tagesschau hat mit dem heutigen Nachrichtenblatt nur noch wenig zu tun. Ein Redakteur und zwei Redakteure bilden das kleine Team der Sendung, die zunächst nur dreimal wöchentlich läuft. Martin S. Svoboda sichtet das Material der „Wochenschau“ und schreibt seine Texte auf seiner privaten Reiseschreibmaschine. Für eine Sendung erhält er eine Vergütung von 40 Mark. Wenn das Material geschnitten ist, muss Svoboda die Filmrollen mit der U-Bahn zum Sendebunker auf dem Heiligengeistfeld bringen.
Zu Beginn nur 1.000 deutsche “Fernsehteilnehmer”.
Wenn die Bilder in Deutschland laufen lernen, schaut fast niemand zu. Während 1953 in den USA 20 Millionen Fernsehgeräte verkauft wurden, zählte man in Deutschland damals nur etwa 1.000 „Fernsehabonnenten“. In den Vereinigten Staaten hatte das Fernsehzeitalter jedoch etwa 15 Jahre früher begonnen. Doch die Wachstumszahlen in der Bundesrepublik sind beeindruckend: 1955 wurden fast 100.000 Teilnehmer registriert, 1958 eine Million. Zehn Jahre später haben bereits 14 Millionen Haushalte in Westdeutschland einen Fernseher. Und die technische Entwicklung schreitet rasant voran.
Fernsehkoch, Theater und Impressionen in den USA
Da sich immer mehr Menschen für das neue Medium begeistern, erweitert das Fernsehen sein Programm.
„Wir versprechen Ihnen, dass wir unser Bestes tun werden, um alles, was Ihnen gefällt, interessiert und Ihr Leben schöner macht, an das neue geheimnisvolle Fenster Ihrer Wohnung, das Fenster zur Welt, an Ihren Fernsehempfänger zu bringen.“
Werner Pleister, Intendant des NWDR
Bereits im Februar 1953 startete Clemens Wilmenrod seine Sendung im NWDR – der erste Fernsehkoch servierte den Zuschauern in seiner Sendung „Bitte zu Tisch in zehn Minuten“ „italienisches Omelette“. Erster Auslandskorrespondent Mit „Bilder aus der neuen Welt“ zeigt Peter von Zahn Eindrücke von Politik und Alltag jenseits des Atlantiks. Im März 1954 dort erstmals eine Übertragung aus dem Ohnsorg-Theater für Niederdeutsch.
Dreijahresplan für ein neues Studio
Ein erweitertes Programm fordert neue und größere Räume – und die Mitarbeiter, die über den Betriebsrat die Zustände im Bunker kritisiert haben, wollen sie auch. Sie sind bereits im Bau, wie der erste Intendant des NWDR, Franz Schmidt, im Januar 1952 in einem Brief an den DGB schrieb:
„Ein wesentlicher Bestandteil des Dreijahresplans ist der Bau eines Fernsehstudios in Hamburg-Lokstedt. Es soll im Sommer 1953 in Betrieb gehen. Bis dahin müssen wir uns leider mit dem Bau im Bau begnügen zwei Bunker auf dem Heiligengeistfeld.”
Franz Schmidt, Erster Intendant NWDR

Die neuen Redaktions- und Atelierräume in Hamburg-Lokstedt werden Mitte der 1950er Jahre bezogen. Heute befindet sich dort unter anderem das Archiv des NDR.
Am Rande der damaligen Stadt entstand ein dreistöckiger Backsteinbau, der noch heute steht. Die ehemaligen Fernsehstudios beherbergen heute unter anderem das Archiv, die Büros der ehemaligen Redaktion und Produktion die Presse- und Recherchebücher sowie Schulungsräume. Denn bald werden auch diese Räume für den Rundfunkbetrieb zu klein und im Laufe der Jahrzehnte entstehen auf dem Gelände in Lokstedt zwei Hochhäuser – und bis heute etliche weitere Gebäude, etwa für die Redaktion von ARD-aktuell, die die produziert Nachrichten.
„Fernsehen baut Brücken von Mensch zu Mensch“
70 Jahre nach Sendebeginn wurde aus einer Sendung mit zwei Stunden Sendezeit allein beim NDR ein volles 24-Stunden-Programm, begleitet von acht weiteren Sendern im ARD-Netz, die fast alle auch für ein volles Programm auf a verantwortlich sind täglich. . Eine unvorhersehbare Entwicklung im verschwitzten Bunker auf dem Hamburger Heiligengeistfeld. Der Beginn der Sendung war jedoch mit großen Hoffnungen verbunden, die heute genauso aktuell sind wie damals – zu Weihnachten 1952:
„Das Fernsehen baut neue Brücken von Mensch zu Mensch, von Mensch zu Mensch. Vielleicht ist es gerade deshalb das richtige Geschenk zu Weihnachten, denn es erfüllt seine große Aufgabe erst dann voll und ganz, wenn es Menschen zusammenbringt und damit die große Hoffnung der Menschheit erfüllt werden muss : Frieden auf Erden!”
Werner Pleister, Intendant des NWDR
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