Autoritarismus-Studie: Wie der Antifeminismus in Deutschland erstarkt

dDieser Satz klingt wie eine Drohung: “Frauen, die in ihren Wünschen zu weit gehen, sollten sich nicht wundern, wenn sie wieder in die Schranken gewiesen werden.” 27 % der Deutschen stimmen zu. So wies der Leipziger Sozialpsychologe Elmar Brehler am Mittwoch in Berlin auf „den Aufstieg des Sexismus“ hin – „eine Strömung, die ich für sehr gefährlich halte“. Auch dieser Trend bestätigt: „Der Feminismus stört soziale Harmonie und Ordnung“.

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Als Brehler und sein Kollege Oliver Dekker diese Aussage den Befragten in der Runde 2020 der Leipziger Autoritarismus-Studie vorstellten, stimmten rund 18 Prozent zu. In der aktuellen Ausgabe der Umfrage, die seit 20 Jahren rechtsextreme Denkmuster verfolgt, glauben nun mehr als 23 Prozent, dass der Einsatz für Frauenrechte Harmonie und Ordnung stört. In Ostdeutschland vertreten 31 Prozent diese Ansicht. Ein Plus von zehn Punkten. Und die Zustimmung zu der Aussage, dass „Frauen sich in der Politik oft lächerlich machen“, stieg bundesweit um acht Punkte auf 23 Prozent. Hier stieg die Positivitätsrate vor allem in Westdeutschland innerhalb von zwei Jahren stark an, von 13 auf 23 Prozent.

Quelle: WELT-Infografik

Die Autoren der Studie, die im Mai und Juni 2.500 ausgewählte Bürger in persönlichen Interviews befragten, bezeichneten ihre Einstellung gegenüber Frauen als „signifikanten Anstieg der Frauenfeindlichkeit während der Pandemie“. Das deutet darauf hin, dass die Gründe dafür darin liegen, dass die Maßnahmen von Corona zu einer Wiederbelebung traditioneller Geschlechterrollen geführt haben. Nach einer langen Zeit des starken Rückgangs hat die Unterstützung für Aussagen wie die, dass es für eine Frau „wichtiger“ sein sollte, „ihrem Mann in seinem Job zu helfen, als der Job selbst“, stetig zugenommen.

Aber die Frage ist, ist die neue Frauenfeindlichkeit nur wegen der Pandemie? Denn in den letzten zwei Jahren war es nicht nur Corona. Aber oft sehr aggressive Diskussionen über Schreib- und Sprechweisen, die reale sexuelle Beziehungen (Geschlechter) deutlicher machen, über Gleichberechtigung und sexuelle Gewalt. Dass nicht nur Corona, sondern auch ideologische Zuspitzungen zu berücksichtigen sind, wird dadurch bestätigt, dass zumindest in Ostdeutschland auch Aggressionen gegen Gruppen zunehmen, die im Zusammenhang mit der Pandemie kaum diskutiert wurden. .

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Mehr als 46 % in Ostdeutschland sind der Meinung, dass Muslimen „die Einwanderung nach Deutschland verboten werden sollte“ (plus 6 % gegenüber 2020). Bundesweit glauben 27 Prozent, dass Ausländer nur hierher kommen, “um unseren Sozialstaat zu nutzen”. Brehler: „Die Wut auf die, die als ‚anders‘ wahrgenommen werden, hat zugenommen.“

Dementsprechend weisen er und Dekker auf einen überhöhten Anstieg jener Form des Antisemitismus hin, der nicht als offener Judenhass angesehen wird, sondern von der deutschen Schuld am Holocaust nichts wissen will. 61 % der Befragten (plus fünf Punkte) glauben, dass „wir uns auf aktuelle Probleme konzentrieren sollten und nicht auf Ereignisse, die mehr als 70 Jahre zurückliegen“. Unverändert 41 Prozent stimmen der Aussage zu, dass eine “Holocaust-Industrie findiger Anwälte” oft von Entschädigungsforderungen profitiere.

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Quelle: WELT/Alexander Siemon

Im Gegensatz zum Schuldvermeidungs-Antisemitismus und israelbezogenen Antisemitismus („Israelische Politik macht mir immer mehr Abneigung“), die unverändert bei etwa 12 Prozent blieben, gingen der offene Judenhass und die Unterstützung für Diktaturen zurück. So findet sich bundesweit bei weniger als drei Prozent der Befragten ein „deutlich geschlossenes rechtsextremes Weltbild“. Dieser Betrag war in 20 Jahren noch nie so niedrig.

“Rechtsextremisten haben mehr Möglichkeiten zur Kommunikation”

Zudem ist der Studie zufolge der Anteil derer, die an eine Verschwörung glauben, im Vergleich zu 2020 stark gesunken (13 Punkte auf 25 %) und die Zufriedenheit mit der rechtsstaatlichen Demokratie auf 80 % gestiegen, in Ostdeutschland auf rekordverdächtige 90 %. Allerdings liegt der Anteil derjenigen, die mit den demokratischen Verhältnissen im Alltag zufrieden sind, bei immer weniger als 60 %. Einerseits begründete Decker dies am Mittwoch damit, dass die Möglichkeiten des Engagements während der Pandemie begrenzt seien. Auf der anderen Seite stellte Decker die erwähnte Zunahme der Aggression gegenüber einzelnen Gruppen fest und kam zu dem Schluss, dass dies „die Motivationen für antidemokratische Einstellungen verändert, nicht die Stärkung der Demokratie“.

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„Neben der Fremdenfeindlichkeit haben Rechtsextremisten heute viel mehr Möglichkeiten, sich mit der Mehrheitsgesellschaft zu verbinden, nicht weniger“, so Decker weiter. Die gefassten demokratischen Beschlüsse lassen sich kaum mit den traditionellen Forderungen der Rechtsextremen nach einer Diktatur vereinbaren. Stattdessen berufen sich besonders diejenigen auf die Verfassung, die zur Rebellion gegen demokratische Entscheidungsprozesse aufrufen und einzelnen Gruppen feindlich gesinnt sind.

Dass die Pandemie für all diese Fälle verantwortlich ist, darf aufgrund eines speziell auf Corona bezogenen Befundes bezweifelt werden. Bei der Einstellung zu Schutzmaßnahmen haben die Autoren nicht nur diejenigen identifiziert, die mehr oder weniger offen glauben, dass ungeimpfte Menschen “im Dritten Reich wie Juden behandelt werden”. Stattdessen finden sie auch “autoritäre Impfer”, die rücksichtslos gegen – aber nicht nur – Ungeimpfte vorgehen.

Quelle: WELT-Infografik

Bei den „geimpften Tyrannen“ sind „offensichtliche Muslimfeindlichkeit“ (41 Prozent) und „Antisemitismus zur Schuldvermeidung“ (38 Prozent) weit verbreitet. Sogar stärker als ungeimpfte Menschen. Andererseits neigen diese noch stärker zu Frauenfeindlichkeit (42 % der Ungeimpften) und „gewalttätigen Männlichkeitsnormen“ (53 %) als „geimpfte Autoritäre“.

Quelle: WELT-Infografik

Eine Gruppe von 13 Prozent, so Decker, sei gegen Impfungen, „im Vergleich zu 19 Prozent, die sich wiederum stark gegen Impfgegner wehren“. Ressentiments werden in beiden Gruppen gleichermaßen nicht nur gegeneinander, sondern auch gegenüber „Anderen“ geäußert. Das könnte bedeuten, dass Corona für Teile der Gesellschaft nur eine Gelegenheit war, im Konflikt eine Aggression zu begehen, deren Motivation eine ganz andere ist. Richtung.

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