Die Ostseesturmflut von 1872 | Freie Presse

Im November 1872 traf ein schwerer Sturm die Ostseeküste in Deutschland und Dänemark. Sie gilt bis heute als schwerste Flutkatastrophe in der westlichen Ostsee.

Eckernförde/Usedom.

Die Bewohner der deutschen und dänischen Ostseeküste waren auf die Katastrophe weitgehend unvorbereitet. Anders als die stürmische Nordsee gilt die Binnensee als eher ruhig. Doch in der Nacht zum 13. November 1872, also vor 150 Jahren, traf eine Sturmwelle mit bis heute nicht erreichten Ausmaßen auf die westliche Ostsee.

271 Menschen starben, gut 15.000 Menschen wurden obdachlos, Zehntausende Nutztiere ertranken in Überschwemmungen und 133 Schiffe wurden zerstört. Die Katastrophe traf vom heutigen Mecklenburg-Vorpommern über Schleswig-Holstein bis nach Dänemark. Dörfer wurden zerstört, Usedom grob in zwei Teile gerissen. Eckernförde und Lübeck standen beispielsweise unter Wasser.

„Die Sturmflut in der Ostsee vom 13. November 1872 gilt als schwerste Hochwasserkatastrophe in der westlichen Ostsee“, schrieben Experten des Deutschen Wetterdienstes und des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) in einer Rekonstruktion aus dem Jahr 2008 der Situation. In dieser Zeit. “Die Wasserstände überstiegen damals deutlich alle bekannten Werte und seitdem sind in der Gegend keine vergleichbaren Stürme mehr aufgetreten.”

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Kein ungewöhnliches Wetter

Die Wetterbedingungen, die damals die Katastrophe ausgelöst haben, seien eigentlich nicht ungewöhnlich, sagt Sven-Michael Veit vom Museum für Regionalgeschichte in Scharbeutz. Bis Ende März 2023 zeigt es einen umfassenden Überblick über die Katastrophe mit vielen Bildern und Berichten von Zeitzeugen, aber auch Informationen zu Klimawandel und Küstenschutz.

Dauer und Stärke des Sturms sorgen für die Katastrophe: Vor der verheerenden Sturmflut treiben Winde aus Südwest über eine Woche lang das Wasser der Ostsee in Richtung Baltikum und Finnland. Die Wasserstände an der Westküste der Ostsee sinken. Am 10. November lässt der Südwestwind nach. Einen Tag später entwickelt sich der Sturm aus Nordosten zu einem mehrtägigen Hurrikan. Das Wasser der Ostsee, des „Wellenbergs aus Finnland“, wie Veit sagt, kehrt mit aller Macht zurück: In Travemünde maß man 3,3 Meter über dem mittleren Wasserspiegel, in Kiel 3,17 Meter und in Flensburg 3,27 Meter.

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„Aus historischen Dokumenten und Hochwassermarken lässt sich schließen, dass die Sturmflut von 1872 zumindest in den letzten 900 Jahren ein einmaliges Ereignis an der Ostseeküste Schleswig-Holsteins ist“, sagte eine Sprecherin des Ministeriums Schleswig-Holstein. Umgebung.

Nein alles klar

An der deutschen Ostseeküste gebe es derzeit keine Zunahme der Intensität von Sturmfluten, sagte die Sprecherin. Entwarnung gibt er aber nicht: „Das wird sich in Zukunft durch den beschleunigten Anstieg des Meeresspiegels durch den menschengemachten Klimawandel ändern.“ Küstenstaaten legen den Angaben zufolge ihren Küstenschutzplänen das Klimaszenario SSP 8.5 (Business-as-usual-Szenario) zugrunde. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass der Meeresspiegel bis Ende dieses Jahrhunderts um etwa 0,75 Meter und bis Mitte des nächsten Jahrhunderts um 1,25 Meter steigen wird. Hochwasserereignisse wie die von 2017 und 2019 würden damit Mitte des nächsten Jahrhunderts mit der Sturmflut von 1872 gleichziehen.

Nach dem Allgemeinen Küstenschutzplan des Landes Schleswig-Holstein hat sich seit 1872 die Einwohnerzahl und der Sachwert in den Küstenebenen Schleswig-Holsteins vervielfacht. „Auch wenn sich seitdem auch das Schutzniveau deutlich verbessert hat, würde ein mit der damaligen Sturmflut vergleichbares Ereignis heute zu enormen Schäden an der Ostseeküste führen.“ Schon
Sturmfluten im Januar 2017 und Januar 2019 mit „nur“ 1,8 Meter höheren Spitzenwasserständen verursachten unter anderem Schäden in Millionenhöhe an touristischer Infrastruktur.

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Riesige Herausforderungen

Schleswig-Holsteins Klimaschutzminister Tobias Goldschmidt betonte, dass die Küsten und ihr Schutz durch die Klimakrise und den damit verbundenen Meeresspiegelanstieg vor großen Herausforderungen stehen. Schon jetzt werden viele Millionen in den Bau starker und zukunftssicherer Dämme und die Befestigung der Hügel auf den Halligen investiert. „Guter Küstenschutz ist für Schleswig-Holstein eine Generationenaufgabe, die uns alle angeht.“

„Küsten- und Hochwasserschutz ist eine Daueraufgabe, die nie abgeschlossen sein wird“, sagte Mecklenburg-Vorpommerns Umweltminister Till Backhaus (SPD) Ende August. Mecklenburg-Vorpommern investiert nach eigenen Angaben jährlich rund 20 Millionen Euro in den Küstenschutz. Diese Mengen werden laut Backhaus wegen des steigenden Meeresspiegels künftig nicht mehr ausreichen. (dpa)

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