
Blockierte Straßen, überlastete Häfen und Ausfälle im Schienengüterverkehr haben in den vergangenen Monaten neben hohen Energiepreisen und Materialknappheit bei Unternehmen in Deutschland für Frust gesorgt. Was das für Unternehmen bedeutet, will das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) genau wissen. Im Sommer 2022 fragen Unternehmen zum dritten Mal nach 2013 und 2018 nach, wie sich der Zustand der zentralen Infrastruktur auf ihre laufenden Geschäftstätigkeiten auswirkt.
Schlechte Note für die Straße
Das Mitte-Institut hat nun die Ergebnisse veröffentlicht und auch ein erstes Fazit gezogen. Es geht nicht gut aus. Es besteht dringender Handlungsbedarf. Die Zahl der unter der Geschäftslage leidenden Unternehmen ist rasant gestiegen. Laut Umfrage fühlen sich mittlerweile 80 Prozent der Unternehmen durch Infrastrukturmängel in ihrem Geschäftsbetrieb geschädigt. Das sind nach Angaben des IW mehr als 20 Prozentpunkte mehr als im Herbst 2013. Im Vergleich zu 2018 stieg der Anteil der betroffenen Unternehmen deutlich von 16 auf 27 %. Auch große Unternehmen sind betroffen.
Die größten Ineffizienzen werden weiterhin durch unzureichende Straßennetze verursacht. Insgesamt gaben 78 % der befragten Unternehmen an, dass Mängel in der Straßeninfrastruktur ihre Geschäftstätigkeit behindern. 83 % der von Infrastrukturdefiziten betroffenen Unternehmen in Nordrhein-Westfalen haben Probleme mit Straßen und Brücken. Auch Ostdeutschland und Baden-Württemberg sind stark vom Straßenverkehr betroffen.
Deutschlandweit geben 32 % der Unternehmen an, dass marode Straßeninfrastruktur erhebliche negative Auswirkungen hat. Damit haben sie den Verkehr in eine Schlusslichtsituation gezwängt. Analysten sind sich jedoch fast einig: Im Vergleich zu anderen Infrastrukturbereichen ist die Problemlage im Straßenverkehr nicht so schlimm.
Verkehrsunfall auf See
Die offensichtlichsten Veränderungen gegenüber 2018 zeigen – neben der Stromversorgung – den Schiffsverkehr. Im Vergleich zu 2018 treten die Probleme hier deutlich häufiger auf: 42 % der beteiligten Unternehmen haben alle Verkehrsprobleme mit Wasserstraßen und Häfen, 2018 waren es „nur“ 15 %. Dies kann laut IW notwendig werden, da es in der Vergangenheit vor allem im innerbetrieblichen Transport zu Problemen gekommen ist. Generell ist dies aber für viele Unternehmen kein oder kein großes Thema. Allerdings liegen zu dieser Zeit immer wieder Containerschiffe vor den Häfen. Auch der Transport ins Hinterland fällt dadurch aus. Durch diese Störungen im Transportverkehr hat insbesondere die Zuverlässigkeit globaler Lieferketten stark gelitten. Und das betrifft viele Unternehmen.
Für den Luft- und Schienenverkehr zeichnet die IW-Analyse ein ähnliches Bild wie für den Transport. Analysten stellen jedoch kleine Effekte fest. Wie der Transport taucht der Luftverkehr als zweites Problem in IW-Umfragen in den Jahren 2013 und 2018 auf. 2022 ändert sich das deutlich. Auch wenn das Luftschiff noch am unteren Ende der Problemskala angesiedelt ist, hat es das Bewertungsstadium des Schienenverkehrs erreicht. Bei letzterem hat sich der Anteil der eindeutig betroffenen Unternehmen spürbar erhöht. Anders als bei einer Fluggesellschaft gibt es immer noch einen großen Unterschied zwischen Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern und dem Rest. Unter den größten Unternehmen gaben fast 44 % der antwortenden Unternehmen an, dass es eine Schwäche im Transportwesen gebe. Bei kleinen Unternehmen liegt sie je nach Größe zwischen 30 und 34 %.
Mehr Geld, mehr Geschwindigkeit
Die Probleme mit den Übertragungsnetzen seien heimisch, fasst IW zusammen. Sie wurden über viele Jahre mit Fördermitteln aufgebaut. Zwar stellt der Bund seit 2015 mehr Investitionsmittel für die Verkehrsinfrastruktur zur Verfügung, diese werden jedoch durch steigende Baukosten behindert. Die preisbereinigten Gesamtinvestitionen im Jahr 2022 erreichen gerade das Niveau von 2009. Es wird also mehr Geld für alle Verkehrsarten benötigt. Auch der deutsche Kolonialismus bremste die Expansion. Die Prozesse dauerten lange und wurden in den Behörden sehr mächtig. Hinzu kommt ein Fachkräftemangel entlang der gesamten Investitionskette – von der Planung über den Bau bis hin zum Betrieb der Infrastruktur. Dieser Mangel wird voraussichtlich zunehmen. Daher werden Projekte oft nicht oder nur sehr langsam umgesetzt. Vom Beginn der Vorplanungen für eine neue Bahn bis zum Rollen des ersten Zuges vergingen bisher durchschnittlich fast 23 Jahre – zu lange.
Abschließend nennt IW drei Problemfelder, die dringend von der nationalen Politik angegangen werden müssen: Investitionsfonds, Akkreditierungsverfahren und Fachkräftemangel. Oder wie IW-Infrastrukturexperte Thomas Puls die Umfrageergebnisse zusammenfasst:
„Um Deutschlands Infrastruktur wieder in Gang zu bringen, muss die Bundesregierung ihre Anstrengungen deutlich verstärken. Erstens wird mehr Geld für Straßen, Schienen und Häfen benötigt. Zweitens muss die im Fusionsvertrag angekündigte Beschleunigung umgesetzt werden. Zu oft stecken Infrastrukturprojekte in Regierungsgewässern fest. Der Zustand der Infrastruktur erfordert Eile. “